Der Autor
Begonnen hat mein Leben im Jahr 1972 in Pforzheim. Es war Sommer, es war heiß und der FC Bayern wurde (mal wieder) deutscher Fussballmeister. Gerne würde ich schreiben, dass Bücher mein Leben schon früh geprägt haben. Dass ich mich immer wieder zurückzog und Seite um Seite verschlang. Dass ich zum Schriftsteller geboren wurde. Aber dem war nicht so.
Bücher spielten bei uns zu Hause keine große Rolle. Dafür Musik. Während mein Vater im Wohnzimmer Ella Fitzgerald hörte, lief im Zimmer meines Bruders Thin Lizzy und bei meiner Schwester The Cure.
Das war meine Sozialisation. Es kamen eigene Platten hinzu (Stones!) und ich begann tatsächlich, Posaune zu spielen. Nun fragt man sich, wie die Stones zur Blasmusik passen und findet die Antwort im Widerspruch sogleich selbst: nämlich überhaupt nicht (wobei das zugegeben nicht ganz stimmt). So blieb die Posaune eine lästige Pflichtübung, die ich mit Vollendung der Volljährigkeit aufgab.
Mein erstes eigenes Auto (ein VW-Polo, leider in weiß) erweckte im Alter von achtzehn Jahren mein Fernweh. Ich versuchte zunächst, es mit Büchern zu stillen und bewegte den Wagen nur in der Stadt. „On the Road“ von Jack Kerouac und „Catcher in the Rye“ von J.D. Salinger waren die ersten Romane, die ich in altersweiser Rückschau als prägend bezeichnen würde.
Während meiner Doors-Phase mit Anfang zwanzig brach das Fernweh erstmals durch („Break on through“). Ich fuhr zu einem dreiwöchigen Sprachkurs nach Brighton. Auf der Küstenstraße (zum ersten Mal Linksverkehr!) geriet ich in einen Motorrad-Tross, der gerade von einem Bikertreffen kam. Dieses muss auf einem Schlammfeld stattgefunden haben, denn immer wieder lösten sich von den Hinterrädern Dreckbrocken, die den weißen Polo am Ende wie eine gefleckte Kuh aussehen ließen.
Mein Englischlehrer in Brighton hieß tatsächlich Mike Murphy, ein Name wie geschaffen für eine Netflix-Serie. Er rauchte selbst gedrehte Zigaretten (Old Holborn-Tabak) und murmelte immerzu „Read Books“ in seinen um den Mundbereich nikotingefärbten Rauschebart.
Es sollte eine Banklehre, ein Jurastudium sowie etliche Jahre als Anwalt dauern, bis ich seinen Rat tatsächlich beherzigte. Ich bin also echt ein Spätzünder.
Wenn ich Geschichten schreibe, tauchen immer wieder Bilder aus Filmen oder Töne aus Liedern auf. Sie bleiben so lange, bis ich es geschafft habe, sie in Worte zu Fassen. Manchmal gelingt es, manchmal nicht. Verschmelzen sie mit den Menschen, Orten und Stimmungen zu einem harmonischen Ganzen, bin ich der glücklichste Mensch an meinem Schreibtisch. Dann lese ich die Sätze immer wieder und fühle mich fast so, als ob ich ein Instrument spielen könnte.